Die hier gezeigte „Hose“ ist ein Zwischenschritt von den geteilten Beinlingen zur zusammenhängenden Hose, aber ihr seht – viel Platz war da nicht in den Hosenbeinen 😉
Tja, wie kriegt man eine Hose, die aus Wollstoff sein soll und kein Elasthan beinhalten darf, so eng und dennoch bequem tragbar?
Der Schnitt sieht etwa so aus:
(Kurzes Fachchinesisch: Keine Innenbeinnaht, die Aussenbeinnaht auf die Rückseite des Beins verlegt.)
> Zu den Maßen: nehmt die Körpermaße des Beines – direkt auf der Haut gemessen – und addiert zu allem, was ein Umfang ist (Hüfte, Oberschenkel, Knie usw.) Bequemlichkeit dazu (ergibt das Schnittmaß). In dem Fall waren es ca 2 cm, bei einem Kleid sind ca. 4 cm für körpernahe Bekleidung zu empfehlen.
(Das fuktioniert für alle Schnitte, die ihr aufstellt. Mit der Bequemlichkeit geht ihr sicher, dass es nicht zu eng wird, und ihr könnt beim Probeteil das wegstecken, was zu viel ist.) Dann wird dieses leicht bizarre Gebilde zwei mal im schrägen Fadenlauf zugeschnitten.
Wenn man ein Probeteil näht – was ich getan habe, und das ist zu empfehlen – reicht einmal aus Probestoff, aber auch im schrägen FDL.
Mein Liebster war so freundlich, sich sozusagen ab der Hüfte abwärts als Modell für diesen Blog bereit zu stellen:
Ihr seht: die Hose hat noch keinen Fußteil und die hintere Naht verläuft in einem Bogen über das Gesäß zur hinteren Mitte.
Die hintere Naht hab ich enger gesteckt und die Differenz in den Schnitt übertragen.
Für die einzelne Socke kann ich nichts 😉
Inzwischen sind die Hosen fertig, passen gut, ER ist zufrieden damit, nur noch die Nestellöcher fehlen und ich bin stolz drauf, wieder eine neue Herausforderung bewältigt zu haben.
(Fotos folgen!)
Dies ist ein kleiner, erster Exkurs in Sachen Schnitt, Maße und Kleidung anpassen. Projektbezogen wird es dazu noch mehr von mir geben.
auch wenn ich gerade bis Oberkante Unterlippe in Arbeit stecke, DAS konnte ich euch nicht vorenthalten.
Letztes Wochenende in Morimondo fand ich einen ganz wundervollen Jagdhut mit einem… außergewöhnlichen Motiv:
Und ich dachte mir so… yeah, Blümchen kann jeder, aber Trompete spielende Hasen?
Nein, ich hab den Hut nicht gekauft, mir allerdings fest vorgenommen, meinen geplanten Jagdhut mit einem ähnlichen Motiv zu verzieren.
Vor nicht mal einer Viertelstunde befand ich mich während einer Arbeitspause auf der Suche nach anderen, mittelalterlichen Hasenmotiven – völlig ahnungslos.
(Ich wusste wirklich noch nichts davon, ehrlich…)
Jetzt weiß ich, wie Monty Python auf die Idee mit dem Killerkaninchen von Caerbannog kam.
(Genug geschrieben, bestaunt die Bilder. Es sind sogenannte „marginalia“(lat.: Nebensächlichkeit) aus mittelalterlichen Handschriften. Alter Schwede müssen die Buchmaler damals gut drauf gewesen sein O.o )
(Paris, Bibl. de la Sorbonne, ms. 0121, f. 023)
(Verdun, Bibl. mun., ms. 0107 (?))
(British Library, Royal MS 10 E IV, detail of f. 61v. The Decretals of Gregory IX [the Smithfield Decretals], edited by Raymund of Penyafort (or Peñafort); with the glossa ordinaria of Bernard of Parma in the margin. c.1300-1340)
Aber zum Glück sind nicht alle Langohren so fies drauf, nein, es gibt genügend von ihnen, die sich im Feld der Musik austoben…
(Detail of a miniature of a rabbit with a trumpet, from the border of the folio. England, S. (London?) )
(Macclesfield Psalter)
(Bodl. Ashmole 1525)
(Cambrai, MS 102)
(Rennes Ms0255)
Nebenbei: in den marginalia finden sich nicht nur Hasen, auch anderes Getier treibt da sein Unwesen.
Jetzt muss ich mich nur noch entscheiden, ob ich einen Caerbannog-Hut oder eher etwas friedlicheres auf meinem Haupt tragen will.
so originalgetreu wie möglich nacharbeiten kann zu einem echten Abenteuer werden.
So eins erlebte ich mit dem „Moy Bog“-Kleid – einem textilen Fund aus dem Jahre 1931 in Irland / County Moy.
Leider wurden weder die Überreste der Frauenleiche noch die textilen Fragmente genauer datiert – jedoch wurde der zeitliche Rahmen anhand der Schnittlinien auf 1350 bis 1500 geschätzt.
Folgte man besagten Schnittlinien und vervollständigte sie, kam man auf folgendes Schnittmuster:
Gerade die verlegte Schulternaht nach vorn in den Brustbereich, die zwei Keile im Ärmel, ein geradezu riesiges Armloch im Rücken und die unter dem Arm eingesetzten Mini-Keile fallen dabei besonders auf.
Geschlossen wurde das Kleid durch (mindestens) sieben Knöpfe in der Front – ebenso an den Ärmeln.
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-> Ich wollte schon lange mal ein Knopfkleid haben, außerdem hatte ich gerade ein paar Meter rotes Leinen daheim rumliegen. Also nahm ich den Schnitt und damit das Kleid in Angriff.
(Ist ja nicht so, dass ich nicht genügend Projekte rumliegen hab, die fertig werden müssen, nein, ach Quatsch… So. Genug Ironie für einen Blogbeitrag.)
Die Bearbeitung dieses Kleides sollte ein erster Versuch sein, um den Schnitt zu testen und das Ganze evtl noch mal in Wolle zu nähen.
Allerdings entschied ich mich für ein paar Änderungen im Schnitt/ der Gestaltung.
Die Mini-Keile unter den Ärmeln wollte ich (der Einfachheit halber) weglassen, und das Kleid mit unauffälligen Schnürungen an den Seiten schließen – nicht mit den Knöpfen in der Front.
(Diese Entscheidung hatte praktische Gründe: Leinenkleid = etwas dünner, kühl am Abend, also zieht man ein Wollkleid drüber, dann stört die Knopfleiste in der vorderen Mitte.)
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Genug Theorie. Ran an den Speck.
1. Schritt: Grundschnitt aufstellen. Der letzte mit meinen Maßen war schon eine Weile her, und dank der „Besonderheiten“ meiner Figur muss ich immer etwas gründlicher arbeiten.
2.: Schritt: Grundschnitt kopieren, nach „Moy Bog Schema“ ändern. Das große Armloch einzuzeichnen war schon reichlich seltsam.
3.: Probeteil nähen, aus alter Baumwoll-Bettwäsche. Das lohnt sich immer, wenn man Schnitte verarbeitet, die man noch nicht kennt oder der Stoff schlicht so teuer ist, dass man Angst hat rein zu schneiden 😉
(Das passte dann soweit auch ganz gut, spannte nur – oh Wunder – ein wenig um die Hüfte.)
4.: Zuschnitt mit dem entgültigen Stoff.
Hier seht ihr den Ausschnitt vorn…
… mit den verlegten Schulternähten und der Naht in der vorderen Mitte (beides bereits ein Stück weit versäubert, um den Beleg einnähen zu können).
Der Beleg (graues Leinen) ist ein guter Weg, um eine saubere Kante am Ausschnitt zu erhalten und die Kante vorm Ausdehnen zu schützen.
Ihr könnt ihn auch ganz schmal halten (1 – 2 cm) und den Oberstoff verwenden, dann fällt er kaum auf.
-> Tja, und hier wäre die Rückansicht.
Das nennt man dann wohl „Grande Assiette excessif“.
(Nachträglich denke ich, dass es schlau gewesen wäre, die schrägen Kanten mit einem Bändchen oder zumindest einem Maschinenstepp zu sichern. Sowas fällt einem natürlich erst ein, wenn man den Blog schreibt.)
Der Ärmel mit dem großen Keil im hinteren Teil sah entsprechend abgefahren aus.
Und der erste „Einsetz-Versuch“ des Ärmels ging ordentlich schief.
(Ich stecke meine Ärmel vollständig genäht in ein geschlossenes Armloch ein, also die „Ringsherum“-Variante, nicht die, bei der man Seitennaht und untere Ärmelnaht zusammen schließt.)
Ihr seht, dass der Keil hässliche Falten wirft, irgendwie „zu viel“ ist – auf keinen Fall schön und ansprechend.
Also trennte ich die Heftnaht wieder auf (grummelnd) und dachte darüber nach, wie ich das Ärmel einsetzen besser gestalten konnte.
(Letztendlich hab ich den hinteren Keil flach liegend unter den Ausschnitt des Armlochs gesteckt, wieder geheftet, und dann mit Hand eingenäht…)
Links: neu eingehefteter Ärmel Marke „Geht doch!“, Rechts: wartet noch auf Korrektur.
Von vorn und von der Seite sahs gar nicht so doof aus… natürlich noch ungebügelt und die Seiten nur zugesteckt.
Die Falten unter dem Arm kommen von dem kleinen Keil, den ich gemäß Schnitt im vorderen Armkugelbereich eingesetzt hab.
Für einen schöneren Fall im Rock hab ich den Rockkeil in der hinteren Mitte noch ein Stück weiter nach oben gesetzt.
Außerdem steckte ich den unteren Teil der Ärmel direkt an meinem Unterarm ab, und versäuberte ihn wieder mit einem Beleg. (Mehr Stabilität für die angedachten Knopflöcher.)
Typisch für solche Projekte: wenn es die letzte Minute nicht gäbe, würde auch nichts fertig werden…
Die Knopflöcher nähte ich bei Christian am Vorabend der Veranstaltung, auf der ich das Kleid tragen wollte.
Und die Knöpfe dazu während der Fahrt (17 pro Ärmel, im Abstand von 1,5 cm), den Saum am Freitag, übers Bügeln sah ich nach Transport im Koffer mal hinweg 😀
———- Premiere! ———-
… für das Kleid, die kleine dunkelbraune Gugel und mein neues Beutelchen in dunkelblau mit Seidenquasten.
Was für eine knallige Farbe O.O (Jagdhut von Christian ausgeliehen, jetzt will ich einen eigenen…)
Fazit:Zwischendrin war mir der Schnitt ein bisschen unsympathisch, ums mal vorsichtig zu sagen. Aber das Endergebnis überzeugt doch, und ich werde mich in absehbarer Zeit an ein Moy Bog Kleid aus Wolle setzen. (Mit verstärktem Augenmerk auf den historisch korrekten Schnitt.)
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Ein herzlicher Dank geht an dieser Stelle an die wunderbare Maike und meinen Christian. Ohne die Beiden gäbs wahrscheinlich wieder keine Bilder (und erst recht nicht so schöne 🙂 ) von den neuen Sachen – ich vergess das ja immer wieder.
Abgesehen davon wars nach fast einem Jahr Pause echt schön, mal wieder zu larpen – mit ganz vielen tollen Leuten, Lachanfällen, leckerem Essen und überraschend gutem Wetter nach einem feuchtfröhlichen Aufbau.
Wenn es um spätmittelalterliche Kleidung geht, ist die geknöpfte Gugel einer meiner absoluten Lieblinge – warum kann ich euch gar nicht sagen.
1. Nachweise und Hintergrund
Für die Dame ist sie ein modischer Bestandteil im später Mittelalter, ab der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts. Es finden sich nicht sehr viele Darstellungen, aber ein paar gibt es doch…
(„Alexanderroman“ ca. 1350)
(„Les Tres Belles Heures de Notre-Dame du Duc de Berry and the Turin-Milan Hours“ 1389)
(Statuen einer Dame und der Ehefrau von Francois I an dessen Grab, La Sarraz, Schweiz)
Als Grundlage für den Schnitt wählte ich ein Schema aus dem Buch „Textiles and Clothing“ – nach den Londoner Textilfunden aus dem 14. Jahrhundert, aus leinwandbindiger Wolle übrigens.
(Crowfoot, Elisabeth; Frances Pritchard and Kay Staniland. Textiles and Clothing, c. 1150-c.1450. (Medieval Finds from Excavations in London: 4) London: HMSO, 1992)
2. Material und Umsetzung Für meine geknöpfte Gugel wählte ich einen (schon etwas älteren) braunen Wollstoff und rotbraunes Leinen als Futter, die Knöpfe sind pyramidenförmig in Zinn gegossen mit Ösen. Genäht habe ich die Gugel komplett von Hand, mit Leinengarn. Die Knopflöcher sind mit einem dunkelbraunen Seidengarn gearbeitet.
Ehrlich gesagt bin ich mit den Zinnknöpfen nicht wirklich glücklich.
Die Form ist hübsch… und ähnliche Knöpfe in der Form sind nachgewiesen. Falls jemand von euch die genauen Nachweis-Daten kennt – bitte schreibt mir, ja?
Aber die Öse ist sehr lang und grob, daher rutschen und kippen die Knöpfe im Knopfloch hin und her… also werd ich mich nebenbei nach zarteren umschauen, die besser sitzen – dann sieht auch die Knopfleiste besser aus.
Die Gugel werde ich im Rahmen mehrerer Living-History – und LARP-Veranstaltungen dieses Jahr tragen – natürlich bekommt ihr die Bilder zu sehen!
Ihr habt ja bereits Haken und Ösen im Einsatz gesehen – an meinem Stehfaltenkleid, als Verschluss in der vorderen Mitte.
Dass man diese Verschlussform im späten Mittelalter bzw der frühen Renaissance bereits verwendet hat, belegt ein Fund aus Kempten im Allgäu.
Unter der Zusammenfassung „Mühlberg-Ensemble“ finden sich dort drei spätmittelalterliche Häuser, denkmalgeschützt saniert mit den Adressen „St. Mang- Platz“ Nr. 8, 10 und 12.
Sie befinden sich nördlich der Kirche St. Mang.
Während der Sanierung dieser Häuser im Jahre 1996 bzw einer Ausgrabung im Vorfeld wurden in Fehlböden und Wandverkleidungen Funde aus dem 15. bzw 16. Jahrhundert freigelegt.
Zum Vorscheinen kamen viele Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs, unter anderem auch diese hübsche Kollektion von Haken und Ösen.
Wie diese fertigen und teils unfertigen Stücke in die Häuser am St.Mang-Platz gekommen sind, ist mir aktuell nicht bekannt.
Aber sie bieten einen Einblick in die Arbeit des Heftelmachers (süddeutsch auch Haftelmacher), dessen Berufsstand sich mit der Herstellung von Haken und Ösen beschäftigte.
Die heute im Museum Kempten ausgestellten Funde zeigen einzelne Fertigungsschritte vom geraden Stück Draht bis zum Endergebnis.
2. Meine praktische Umsetzung
Als ich die Überarbeitung meines Stehfaltenkleides anging, stieß ich auf ein Problem.
Ich hatte Haken und Ösen aus Edelstahl angenäht, die ich austauschen wollte. Aber ich wusste nicht, wo ich passenden Ersatz aus Messing oder Kupfer her nehmen sollte.
Allerdings hatte ich Messingdraht und Schmuckzangen daheim, also machte ich mich daran, die Haken und Ösen selbst herzustellen.
Verwendete Materialien und Werkzeug:
Messingdraht, 0,5mm
Handmaß (Schneidereibedarf)
Schmuckzange mit flachen Backen und Schneidekanten
Schmuckzange mit runden Backen
Notizzettel und Stift
Ich experimentierte mit verschiedenen Drahtstück-Längen:
Und an der untersten Öse könnt ihr sehen, dass 4 cm zu lang sind und Krüppelösen ergeben 😉
Letztendlich entschied ich mich für 3 cm Drahtlänge. Auf dem Bild seht ihr einen Hakenrohling mit 4,5 cm Länge, dieser Zwischenschritt ist bei beiden Teilen des Verschlusses gleich:
Zuerst werden also zwei kleine Ösen an den Enden des Drahtstücks gebogen (über eine Spitze der Rundbacken-Zange).
Danach wird der Rohling im hintersten Teil der Zange eingeklemmt, dort wo die Backen am dicksten sind.
… mit der Hilfe der Flachbackenzange biegt man den Rohling um die runde Backe – so gleichmäßig wie möglich. Und tada. Fertig ist die Öse.
Nun also zu den Haken…
Begonnen wird wieder mit einem passenden Drahtstück, dieses Mal aber wirklich mit den 4,5 cm Draht.
Anschließend biegt man den Rohling mittig über die Spitze der Rundbackenzange:
… und danach mit der Flachbackenzange die beiden Schenkel des Rohlings zusammen:
Während der Rohling von der Rundbackenzange gehalten wird, biege ich den anderen Teil um eine Backe der anderen Zange.
Anschließend kann man den gebogenen Hakenteil noch ein bisschen flacher drücken, dabei sollte man aber vorsichtig sein.
Damit wäre dann auch der zweite Teil des Verschlusses fertig.
… und nun müssen die Haken und Ösen nur noch angenäht werden. _______________________________________
Seit nun fast einem Jahr arbeite ich an meinem Stehfaltenkleid…
Diese Art von Kleid wurde Ende des 15. Jahrhunderts, also im späten Mittelalter, bis in die frühe Renaissance getragen – genaue Nachweise gibt es für die Zeit ab 1470.
1.: Nachweise
Die Beispiele hier stammen vom Meister des Hausbuches, einem anonymen deutschen Künstler. … gut sichtbar ist das Detail, welches dem Kleid seinen Namen gibt:
-> die senkrechten, „stehenden“ Falten unterhalb der Brust vorn und knapp unterhalb der Schulterblätter hinten. Von diesen Abbildungen stammt auch der Name „Hausbuchkleid“.
Außerdem bemerkenswert:
der Einsatz des Ärmels in das Armloch hinten – die sogenannte „Grande Assiette“ (frz.: großer Teller)
ein geradezu freizügig tiefer Ausschnitt
die auf dem mittigen und ganz rechts sichtbaren, hinten offenen Ärmel mit Schnürung und leicht hervorbauschendem Unterkleid
außerdem das Bindebändchen am Hals, eine Art Tassel, die das Kleid auf den Schultern der Trägerin hält
Aber es finden sich auch Nachweise in der Bildhauerei…
(Limburger Domschatz, 1465)
(Saarbrücken, 1475)
Das Stehfaltenkleid hielt sich bis in die Renaissance – zumindest noch so lange, dass Albrecht Dürer Frauen in diesen Kleidern porträtieren konnte.
(vlnr.: „Nürnberger Jungfrau im Tanzgewand“, „Nürnberger Frau zum Tanze gehend“, „Junge Fürlegerin mit geflochtenem Haar“)
Ihr seht – viel hat sich an diesem Kleid nicht geändert, auch wenn es anscheinend viele Varianten der Details gab.
(vlnr.: keine Quelle , Meister des Hausbuches: „St. Katherina“ , Bildausschnitt „Gothaer Liebespaar“)
… weite Ärmel, schmale Ärmel, schmale nach hinten offene Ärmel, tiefer Ausschnitt, züchtig hochgeschlossener Ausschnitt, verschiedene Varianten der Tassel usw…
2.: Die praktische Umsetzung
… sah ich zum ersten Mal bei meiner Schneider-Kollegin Sandrahier, forschte weiter und stieß auf Bettinas Seite sowie den Blog von Katafalk aka Cathrin, die auch ihre Schnitterstellung sehr ausführlich dokumentierte.
Für mich stand fest, dass ich auch so ein Kleid wollte, zumal ich zu dem Zeitpunkt (Mitte 2013) selbst Teil einer Spätmittelalter-Living History-Gruppe war. (Darstellungsjahr 1474)
Aber dank Querelen in besagter Gruppe, dem Alltag der zu bewältigen war und Leben im Allgemeinen dauerte es noch bis zum Frühjahr 2014, bis ich endlich das Stehfalten-Projekt anging.
2.1.: Nun aber wirklich!
Ich entschloss mich für
die „Dürer-Variante“ der Tassel, nicht direkt am Hals, sondern eher mittig im Dekolleté an einem doppelt geschwungenen Ausschnitt
schmale, hinten offene Ärmel (wie bei einem Teil der Hausbuchmeister-Nachweise)
den Versuch einer Konstruktion der „Grande Assiette“ im Armloch
Haken und Ösen als Verschlusslösung in der vorderen Mitte
und eine Überlänge des Rockes ringsherum
… weil ja bekanntlich ohne die letzte Minute nichts fertig werden würde, bastelte ich mir das Kleid innerhalb von zwei Nachtschichten zusammen.
(O.l.: Vorderteil mit Falteneinsatz, o.r.: Ärmel mit Keil zugeschnitten, u.l.: Faltenteil für die h. Mitte, u.r.: Rückteil mit Grande Assiette und Seitenkeil)
Als Material verwendete ich ein feines, dunkelgrünes Wolltuch, dass ich seit mehreren Jahren daheim hatte, aber nie wusste, was letztendlich draus werden sollte (gefunden bei Bogner Stoffe in Erlangen, noch während meiner Ausbildungszeit…).
Wie ihr sehen könnt, habe ich den Torso des Kleides und die oberen Teile der Falteneinsätze mit grauem Leinen unterlegt. Die Ärmel sind entlang der Kanten mit dem Leinen verstürzt.
So sah übrigens meine Lösung zu den Stehfalten aus. Waagerechte Linien in gleichmäßigen Abständen, Falteninhalt und Faltenzwischenraum markieren, mit Seidengarn zusammenziehen, immer wieder verstechen – und mit diesen Stichen den Wollstoff mitfassen.
-> Ich glaube NICHT, dass dies die ideale Variante ist, die Falten zu arbeiten. Eventuell gehe ich den Versuch an, noch mal voluminösere, stabilere Falten zu produzieren…
Das Ergebnis der Nachtschicht sah dann so aus:
Es gab viele Kleinigkeiten, die mich an meinem Werk störten, und ich hatte in der Saison 2014 einfach keine Zeit, die Kinderkrankheiten auszumerzen.
Immerhin trug ich das Kleid drei Mal: auf dem Himmelfahrtslager in Hartenstein, dem Pfingstritterturnier in Weesenstein und zur Turney vom Einhorn in Bexbach – wo ich viel positives Feedback erhielt.
Aber mir waren die Schwachstellen bewusst…
3.: Nachbessern
Endlich kam ich dazu, dem berühmten Spruch „Das mach ich im Winter!“ alle Ehre zu machen. (Normalerweise lachen die „Mittelalterleute“ darüber, weil man im Winter meist zu gar nichts kommt 😉 )
Nach einer Anprobe nahm ich das Stehfaltenkleid fast vollständig auseinander, trennte die Ärmel raus sowie den hinteren Faltenteil, trennte die Edelmetall-Haken und -Ösen ab und den Saum auf.
Die Überlänge ringsherum hatte sich als enorm hinderlich erwiesen…
… nach ein paar Abenden Gebastel saß der hintere Faltenteil etwas weiter oben, das Kleid war vorn nur noch bodenlang, die Ärmel neu eingenäht…
… und ich hatte begonnen sämtliche Nahtzugaben mit Hand zu versäubern.
Derzeit bin ich dabei, selbstgebogene Haken und Ösen anzunähen – für den Verschluss in der vorderen Mitte und die Schnürung an den Ärmeln.
4.: Fürs Gesamtbild
Als passende Accessoires sind derzeit… …eine Wulsthaube mit Steuchlein …
… und ein gesmoktes Unterkleid…
… in Arbeit.
Das fertige Gesamtwerk werde ich euch bald in einem separaten Blog-Eintrag präsentieren.